„Deshalb gefällt mir das von den Pantomimen eifrig aufgeführte Stück nicht, wo das liebende Mädchen nachts, mit entzündetem Licht auf dem Turm stehend, den durchs Meer schwimmenden liebenden Jüngling erwartet.“
Ja – Sie haben richtig gelesen! Eine romantisch-dramatische Szene, zerstört durch einen groben Grammatikschnitzer, der auch uns etwa aus dem süddeutschen Raum oder dem saloppen Sprachgebrauch nur allzu bekannt vorkommt: „der Moment, wo sich Romeo das Leben nimmt“. Ein „wo“ taugt für jedes Relativpronomen, und so steht es auch „falsch“ im lateinischen Original: „fabula …, ubi“ – „das Stück, wo“. Verfasst wurde es ausgerechnet von einem Spitzenredner des 2. Jh. n. Chr. namens Marcus Cornelius Fronto, der noch dazu Lehrer der beiden Prinzen und späteren Kaiser Mark Aurel und Lucius Verus war. Und was brachte er denen bei? Nun: sicher nur lupenreines Latein, und in seinen ausgefeilten Reden wäre Fronto ein solcher Faux-pas sicher auch nie passiert. Der zitierte grammatische Stolperer aber gehört der Umgangssprache an: Er rutschte Fronto in einem seiner Briefe heraus und von dort direkt hinein in die dankbaren Hände der heutigen Forschung, die über dieses wertvolle Puzzleteil zur Rekonstruktion gesprochenen Lateins höchst erfreut ist.
Quelle: Marcus Cornelius Fronto, Epistulae ad Marcum Caesarem et invicem 3, 14, 4.
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